Dr. Bettina Albers
Geschäftsstelle Deutsche Transplantationsgesellschaft e.V.
Die maschinelle Perfusion von Spenderorganen hat der Transplantationsmedizin und ihren Patienten in den letzten Jahren neue Perspektiven eröffnet. Transplantationsmediziner davon aus, dass mit Hilfe der Maschinenperfusion die Erfolge der Transplantation verbessert werden können und mehr Patienten ein Organ zur Verfügung gestellt werden kann. In Deutschland kommt das System derzeit zwar bei der Lungen- und Herztransplantation zum Einsatz, wird aber nicht von den Krankenkassen finanziert.
Internationale Studien zeigen eine Erfolgsgeschichte – In Deutschland fehlt die Finanzierung
Die maschinelle Perfusion von Spenderorganen hat der Transplantationsmedizin und ihren Patienten in den letzten Jahren neue Perspektiven eröffnet. Bislang werden die Organe vom Blutkreislauf abgekoppelt, bei vier Grad Celsius in Transportboxen gekühlt und innerhalb weniger Stunden zum Transplantationszentrum transportiert, um schnellstmöglich transplantiert zu werden. Eine andauernde maschinelle Durchspülung (Maschinenperfusion) mit einer blutähnlichen Lösung bei Körpertemperatur kann dazu beitragen, dass das Spenderorgan länger konserviert und weniger geschädigt wird. Zudem können Spenderorgane genutzt werden, die bislang als unbrauchbar abgelehnt werden mussten.
Ex vivo Perfusion in Deutschland nicht von den Krankenkassen finanziert
Schon vor Jahren wurde gezeigt, dass die kalte Maschinenperfusion von Nieren klinische Vorteile hat (1), und ist außerhalb Deutschlands mittlerweile vielerorts klinischer Standard. Bei der 28. Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft DTG war die Organperfusion eines der Hauptthemen.
Im April 2018 veröffentlichte eine internationale Expertengruppe unter Federführung der Medizinischen Hochschule Hannover die INSPIRE Studie zur normothermen ex vivo Perfusion bei Körpertemperatur (mit dem transportablen Organ Care System, OCS) von Spenderlungen im Vergleich zur kalten Lagerung in der Kühlbox, mit der MHH als leitendem Studienzentrum (2).
Die Transplantation mit OCS ist besser planbar und sicherer
Die Lunge wird im OCS beatmet und an einen künstlichen Blutkreislauf angeschlossen, der sie bei Körpertemperatur mit einer blutähnlichen Lösung und Nährstoffen versorgt. Das Gerät gibt den Ärzten bis zu zwölf Stunden Zeit, das Spenderorgan zu transportieren und die Lungenfunktion zu beurteilen und zu verbessern. So können Flüssigkeitseinlagerungen austrocknen und kann Schleim abgesaugt werden. „Das Organ erreicht den Empfänger in einem deutlich besseren Zustand als bei der bisher üblichen kalten Lagerung“, erklärte Professor Dr. Gregor Warnecke, Hauptprüfarzt der Studie und Leitender Oberarzt der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie bei einer Pressekonferenz im Rahmen DTG-Tagung am 17. Oktober 2019.
Patienten, die ein Organ aus dem OCS erhalten hatten, litten seltener an einem frühen Transplantatversagen. „Das kann bedeuten, dass die Patienten kürzer beatmet und schneller entlassen werden“, sagt Professor Warnecke. „Durch das OCS wird die Transplantation zudem besser planbar – das kommt der Patientensicherheit zugute!“, so Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie.
Auf Grundlage der Daten der INSPIRE Studie erhielt das Organ Care System Lunge in den USA die „Food and Drug Administration“ (FDA)-Zulassung. Im August 2019 folgte die Veröffentlichung der EXPAND Studie, in der wieder unter wesentlicher Mitwirkung von MHH-Wissenschaftlern die erfolgreiche Konservierung von Spenderlungen mit erweiterten Spenderkriterien im Organ Care System Lunge gezeigt wurde (3).
Für die Herztransplantation steht das Organ Care System Herz zur Verfügung, welches in Großbritannien, Australien, Belgien und Öster-reich außerordentlich erfolgreich zur Wiederbelebung und anschließenden Transplantation von Herzen von Spendern nach Herz-Kreislauf-Tod genutzt wird (4). In Deutschland ist diese Organspende gesetzlich ausgeschlossen. Auch für Standardspender nach Hirntod wird das Organ Care System Herz erfolgreich eingesetzt (5). Daten zum sehr erfolgreichen Einsatz des Organ Care System Herz für komplex vor-operierte Herzempfänger in Deutschland (derzeit vor allem in Hannover und Freiburg) wurden auf dem DTG Kongress 2019 in Hannover präsentiert (6).
Wegen der verlängerten Konservierungszeit können auch Lungen und Herzen aus dem fernen europäischen Ausland nach Deutschland transportiert werden.
Weniger Organversagen und höhere Sicherheit der Transplantation
Auch in der Lebertransplantation liegen Ergebnisse von klinischen Studien vor (7). Zwei randomisierte internationale Studien zur Maschinenperfusion von Spenderlebern laufen derzeit, aus logistischen Gründen aber nur unter geringer deutscher Beteiligung.
Aufgrund dieser Vielzahl klinischer Studien gehen die Transplantationsmediziner davon aus, dass mit Hilfe der Maschinenperfusion die Erfolge der Transplantation verbessert werden können und mehr Patienten ein Organ zur Verfügung gestellt werden kann. In Deutschland kommt das System derzeit zwar bei der Lungen- und Herztransplantation zum Einsatz, wird aber nicht von den Krankenkassen finanziert. Für den Transport von Spendernieren werden trotz wissenschaftlich belegten Nutzens maschinelle Perfusionssysteme in Deutschland nicht eingesetzt.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gregor Warnecke
Transplantationschirurg der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover
Telefon (0511) 532-6590
MHH Transplantationszentrum Hannover
Prof. Dr. Dr. h.c. Axel Haverich, Leitung
Telefon: 0511 532-8846, Fax: 0511 532-161031
Weitere Informationen aus der MHH erhalten Sie unter www.mh-hannover.de
Quelle: idw_2019-10-17